Dienstag, 24. Juli 2012

10 gravierende Unterrichtsfehler und 10 Kennzeichen guten Unterrichts

Nach dem letzten Beitrag zu beliebten Fehlern im Chemieunterricht bietet sich ein etwas allgemeinerer Blick auf typische Unterrichtsfehler an. Leonard Horster hat 10 von ihnen zusammengetragen. Andersherum nennt Hilbert Meyer 10 Kriterien für guten Unterricht.

10 gravierende Unterrichtsfehler nach Leonhard Horster

  1. Scheinoffener Einstieg
  2. Methoden ohne Funktion
  3. Schüler als Lückenfüller
  4. Lernen im Labyrinth
  5. Lernen für die Tafel
  6. Lernen ohne zu verstehen
  7. Stunden ohne Struktur
  8. Arbeitsteilung als Taylorisierung
  9. Unterrichten ohne Schüler
  10. Mögliche Lernzeit bleibt ungenutzt



Dazu ein Fallbeispiel, dass die einzelnen Punkte erläutert. Lehrer Hempel ist NaWi-Lehrer und beginnt den Unterricht mit einem stillen Impuls - einem Bild auf dem Overheadprojektor. Jede Schüleräußerung kommentiert er direkt und schreibt sie stichwortartig an die Tafel. Nachdem die Tafel voll ist (5) formuliert er seine Stundenfrage an der Tafel (1). Nachdem die Stundenfrage geklärt ist teilt er die Klasse in Gruppen und Experten ein, die Plakate zu verschiedenen Themen entwerfen. Hempel hat unheimlich viele Unterrichtsmaterialien zu vielen Einzelaspekten mit vielen unterschiedlichen Aufgaben zusammengetragen und den Gruppen zugeteilt. (8) In einem Museumsgang sollen diese später präsentiert werden. Nach einiger Zeit sind die ersten Gruppen fertig andere brauchen noch Zeit. Hempel gibt noch 10 Minuten mehr Zeit für diese Phase. In der letzten Reihe entwickelt sich gegen Ende dieser Nachspielzeit Unruhe - zwei Schülern war langweilig (10). Der Museumsgang beginnt.  Leider sind die zusammengefassten Themen dennoch so ähnlich zueinander, dass die Experten keine besondere Expertise zeigen können und die Schüler schon beim zweiten Plakat überwiegend bekanntes lesen. Die geplante Unterrichtsphase verläuft deutlich kürzer, als vorgesehen. Lehrer Hempel zeigt daher zum Stundenabschluss ein Laborgerät und fragt die Schüler nach seinem Namen. Den Schülern ist der Erlenemeyerkolben bekannt. Auf einer Folie wird dennoch der Name von einem Schüler vermerkt. Hempel überbrückt so die Zeit bis zum Klingeln (3). Kurz vor dem Klingelzeichen teilt Hempel noch einen Arbeitsbogen aus, den er eigentlich erst in einer späteren Stunde verteilen wollte. Das Thema ist ein vollkommen anderes, aber Hempel fasst zusammen: "Wir müssen das ja eh noch behandeln." (4)
In der zweiten Stunde fängt Hempel die Lücke zwischen den beiden Themen der vergangenen Stunde auf, indem er vorschlägt einen kurzen Vortrag zu halten. Für Verständnisfragen ist dabei keine Zeit. Hempel mahnt: " das müsst ihr nicht durchdenken, sondern einfach für die Arbeit auswendig lernen." (6) Zwei Schüler aus der ersten Reihe helfen ihm bei der Herleitung der passenden Formel. (9)
 Für den Rest der Stunde sind Kurzreferate vorgesehen, die Hempel vor einigen Stunden verteilt hat. Es werden berühmte Wissenschaftler vorgestellt und miteinander verglichen. Die einzelnen Gruppen stellen nacheinander Ihren Wissenschaftler vor. Es wird gesprungen von Einstein zu Kopernikus, zu Darwin und Demokrit. Offene Fragen ergeben sich am Ende der Vorträge nicht. Ein Schüler fragt: "Wozu machen wir das hier eigentlich?" (7)

10 Kennzeichen guten Unterrichts nach Hilbert Meyer

  1. Klare Strukturierung
  2. Hoher Anteil an echter Lernzeit
  3. Vorbereitete Lernumgebung
  4. Methodenvielfalt
  5. Lernförderliches Klima
  6. Individuelle Förderung
  7. Sinnstiftendes Kommunizieren
  8. Intelligentes Üben
  9. Transparenz in Leistungserwartungen
  10. Klarheit der Inhalte

Lehrer Hempel hat nun dazu gelernt und seinen Unterricht umgestellt. Er achtet nun darauf, dass den Schülern einzelne Unterrichtsphasen als solche sichtbar werden und diese logisch folgend und wiederholt auftreten.(1) Monologe, Zwiegespräche, Über- und Unterforderung gehören der Vergangenheit an,(2) statt dessen angemessene und zielführende Arbeitsaufträge (4) in einer freundlichen aber klar geordneten Umgebung mit einer ausreichenden Anzahl an Medien (5). Hempel gewinnt mit dieser Struktur und kooperativen Methoden Zeit einzelne Schüler individuell zu betreuen. Vorweg plant er die innere Differenzierung. (6) Die Zeit rhetorischer Fragen und von Lückenfüllern ist vorbei. Fragen kommen nun verstärkt, ermutigt, auch von den Schülern. (7) Schwere Inhalte greift Hempel wiederholt auf und lässt sie in anderen Kontexten oder mit anderen Methoden wiederholen, um sie zu festigen. (8) Hempel macht klar, was das Ziel des Unterrichts ist und wie man es erreichen kann.(9) Der Weg dahin wird von ihm logisch und anschaulich reduziert angelegt (10).


Gibt es noch mehr Kriterien oder fehlt ein wesentlicher Fehler? Ich freue mich über Kommentare dazu.

1 Kommentar:

  1. Hallo,

    eine brauchbare und satirische Beschreibung von einer Unterrichtsstunde, prima!

    Den Text könnte ich in meinem Seminar sofort einsetzen.

    mfg
    B.Köhler

    AntwortenLöschen